Zeruja Shalev
Liebesleben
übersetzt von Mirjam Pressler, Berlin Verlag 2013

Ihr Leben ist in Ordnung, mehr als das anderer junger Frauen. Sie muß nicht an der Kasse eines Supermarkts arbeiten, sie sieht gut aus, hat eine Karriere an der Universität vor sich, hat einen Mann, der etwas schafsgesichtig, aber lieb und zutraulich und treu ist, sie haben gemeinsam eine schöne Wohnung mit flauschigen Badehandtüchern und gelb gestrichenen Wänden. Sie und er nennen sich Wühlmäuschen und Biber, die Kindersprache derer, die keine Kinder haben und stattdessen allmählich selber kindisch werden. Je mehr sie den Wunsch nach Leidenschaft am weichen Körper ihres freundlichen Mannes vergißt, desto unbeherrschter wird sie eines Tages Leidenschaft überraschen.
Die Tür zu Ja ’aras bisherigem Leben fällt zu als ein Fremder ihr die Tür zur Wohnung ihrer Eltern öffnet. Da ist es um Ja ’ara geschehen. Die eigene Bedürftigkeit muss ihr bisher nicht klar gewesen sein, aber mit klarem Bewusstsein schaut sie zu, wie die Ja ’ara, die sie mal war, eine Liebesversessene wird und eifrig dabei ihr Leben verpfuscht.
Ich muss noch etwas zur Autorin sagen. Zeruya Shalev, Jahrgang 1959, hat mit Liebesleben ihren zweiten Roman geschrieben. Sie ist im Kibbuz Kinneret geboren und lebt in Jerusalem. Die Sprache, mit der sie sich auf diese amour fou stürzt, treibt die Figur der Ja ’ara an und um, macht auch ihren Wahnsinn deutlich. Jedes gerade eben gefundene Wort hat einen Gegner, der ist das nächste Wort. Den Sätzen legt sie die Schraube an und dreht an ihnen so lange, bis ein Sog entsteht, der erleichtert in den nächsten Satz entlässt. Und doch wieder nicht. Man kommt von einer Not in die nächste, und das Netz, das den Leser auffängt, ist eine der Autorin eigene Komik. Nicht nur inhaltlich, auch sprachlich und formal ist es ein schönes und mutiges Buch.