Peter Stamm
Agnes
Arche Verlag 2009
Ein junger Mann lernt in einer Bibliothek eine junge Frau kennen, die keine besondere Schönheit ist, aber ein Geheimnis hat, ein Geheimnis, das wie eine Selbstverständlichkeit in ihre Augen gehört. Sie spricht über den Tod. Sie gehen Kaffeetrinken. Sie sprechen über das Leben. Sie sitzen auf einer Treppe vor der Bibliothek und verlieben sich ineinander. Die Frau bittet den Mann, ihre gemeinsame Geschichte zu schreiben. Er geniert sich. Er tut es. Die Frau zieht mit einem Bein zu ihm und wird schwanger. Der Mann will das Kind nicht. Da verliert er die Frau zum ersten Mal, und als sie sich wiedersehen, hat sie das Kind verloren. Sie bittet ihn, die Geschichte des Kindes zu schreiben. Er geniert sich. Er tut es. Wenn man sich beim Schreiben schämt, dann werden die Sätze oft einen Kopf größer als man selber ist?
In Peter Stamms Roman „Agnes“ beginnt das Leben, das auch möglich gewesen wäre, den Text zu diktieren. Der Text beginnt dem Leben seine anderen Möglichkeiten zu diktieren, wenn er die Wirklichkeit überholt und in die Zukunft voraus eilt. Der Mann, der schreibt, wünscht sich etwas und schreibt es hin, auch wenn er sich wieder einmal dafür schämt. Wünsche sind potentielle Handlungen, – und einmal hingeschrieben werden sie zum Katalysator für die Wirklichkeit. Es ist bei Peter Stamm nicht so kompliziert wie es bei mir hier klingt. Sein Roman Agnes hat eine stille, ruhige Kraft, und die Gefahr, von der er berichtet, meistert Peter Stamm wie ein großer Maler. Soviel Licht, soviel Licht im Dunkeln. Unbedingt Lesen!