Patrick Modiano
Damit du dich im Viertel nicht verirrst
aus dem Französischen von Elisabeth Edl, Hanser Verlag 2015

Patrick Modiano ist ein Erinnerungsfetischist. Jedes neue Buch, so hat er im Dezember in Stockholm gesagt, lösche im Augenblick des Schreibens das vorangegangene aus. Er schreibe von einem Vergessen zum nächsten. Doch häufig kehren in seinen Büchern dieselben Geschichten wieder, als wäre gerade das Nichtvergessen der Stoff, aus dem sie sind.
Auch in seinem neuen Buch „Damit du dich im Viertel nicht verirrst“ ist Modianos Glühpunkt ähnlich wie in den vorangegangenen. Gekonnt schiebt er die Zeiten ineinander, so dass man beim Lesen oft nicht weiß, ist dies flüchtige Gegenwart oder gegenwärtigste Vergangenheit. In diesem Modiano-Kosmos verschwinden Menschen, Todesfälle bleiben ungeklärt, nächtliche Cafés und Autowerkstätten sind nicht Kulissen, sondern Hauptrollen, zerfledderte Adressbücher werfen bei ihrem Wiederauffinden plötzlich lange Schatten, längst vergessene Name werden wieder wach mit den ungültig gewordenen Telefonnummern dazu. In Modianos Geschichten wimmelt es von Namen, wie es auf Friedhöfen von Namen wimmelt. Ob das alles also autobiografisch ist?
Geboren wurde er 1945 als Kind eines jüdischen Griechen und einer Flämin, die sich im Paris der Okkupationszeit kennengelernt hatten. Beide haben sich nicht besonders um ihn gekümmert. Viele der Erzähler in Modianos Romanen haben genau solche Mütter und Väter wie er. Sie sind Schauspielerinnen wie seine Mutter oder zwielichtige Geschäftsleute wie sein Vater. Modiano sagt, dass gewisse Episoden der Kindheit später der Nährboden für seine Bücher geworden seien. Im vergangenen Jahr in Stockholm bekamen er und das Kind, das er war, den Nobelpreis für Literatur. In diesem Jahr ist er siebzig geworden.