Orhan Pamuk
Die Unschuld der Dinge
aus dem Türkischen von Gerhard Meier, Hanser Verlag 2012
Der Nobelpreisträger Orhan Pamuk hat in diesem Frühjahr sein „Museum der Unschuld“ in Istanbul eröffnet. Es geht um die Verwirklichung einer Idee, sagte er in einem Interview, die niemand zuvor gehabt hat. Die 83 Vitrinen im „Museum der Unschuld“ entsprechen den 83 Kapiteln seines gleichnamigen Romans und tragen auch dessen Überschriften: „Eifersucht/Ist es vielleicht normal, dass man seine Verlobte einfach sitzen lässt?/Meine letzte Begegnung mit ihr.“ Das Museum ist also eine Art begehbarer Roman, der von einer unglücklichen Liebe erzählt. Der Romanheld archiviert wie sein Erfinder Pamuk die Beziehung in Dingen, auf die Glanz und Schatten ihrer Liebe gefallen ist. Tausend Sachen, auch ein Damenschuh, ein altes Radio, ein Ohrring, die Hand einer Puppe, ein Führerschein und leer getrunkene Gläser sind dabei. Jetzt liegt im Hanser Verlag das Buch zu dem rot verputzten Haus in der Cukurcuma Strasse vor. Das Museumbuch heisst in Abwandlung zu Roman und Museum „Die Unschuld der Dinge“. Wenn mein Text es könnte, er würde jetzt lächeln. Dass es dieses Museum nun tatsächlich gibt, heißt, dass die Geschichte des Romans den Sprung von der Fiktion in die Realität geschafft hat, heißt aber auch, dass etwas geglückt ist, was selten nur glückt, und am ehesten noch im Tanz, in der Choreographie. Oder in der Malerei. Dass nämlich Zeit zu Raum wird. Also innehält. Also bleibt? Ja, etwas bleibt, sagen die Stimmen der Dinge aus ihren Vitrinen, arrangiert zum Chor. Etwas bleibt von jeder Liebe.