Patrick Modiano
Die Tänzerin
Carl Hanser Verlag 2025

Gern bin ich dem namenlosen Erzähler in Patrick Modianos neuem Roman „Die Tänzerin“ durch das Paris der Sechziger Jahre gefolgt, weil er in jeder Beziehung ein Suchender ist. Als Babysitter des kleinen Pierre gerät er in die Welt des Tanzes. Denn Pierres Mutter ist die Tänzerin. Der Vater des Jungen bleibt, wie alles in der Geschichte, in einem diffusen Licht, als hätte das Leben in Paris damals immer nur in Zimmern zum Hinterhof, in der Nähe von Autowerkstätten und nach Einbruch der Dämmerung in dunklen Bars stattgefunden und in nächtlichen Begegnungen, die freizügig sind und nicht Liebe sein wollen. Die Handlung des Romans ist schwer nachzuerzählen, obwohl sie ihre Cliffhanger hat. Die Geschichte hat die Atmosphäre von alten französischen Krimis, auch wenn nie jemand fragt: Wer ist hier schuldig? Die Tänzerin trainiert im Studio Wacker, wo auch Brigit Bardot einmal an der Stange stand. Plié, tendu, Jetté, das Jetzt, das tägliche, ritualisierte Jetzt an der Stange weiß in Befehlsform, was man mit der eigenen Vergänglichkeit machen soll? So will auch Modiano sein Schreiben als tägliches Gebet am Tisch wiederholen und wiederholen wollen, von Roman zu Roman. Beim Schreiben lässt sich, was einmal war, als etwas, das für immer wird gewesen sein beschwören? Das hat etwas Tröstliches. „Die Tänzerin“ des Schriftstellers Patrick Modiano, der im Juli achtzig wird, ist ein schmales, schwebendes, zeitlos altmodisches, elegantes, tröstlich trauriges und geheimnisvolles Buch, das wie ein Hilferuf von der Nähe derer, die schreiben, zu denen, die tanzen erzählt.