Johanna-Maria Fritz
Like A Bird
Fotoband
L'Artiere/Bologna 2021
Zirkus in muslimischen Ländern? Ja, das gibt es. Der Fotoband „Like A Bird“ von Johanna-Maria Fritz ist der schönste Beweis. Vor 26 Jahren ist Fritz in Baden-Baden zur Welt gekommen, wo nach ihrer eigenen Aussage das jährliche Gastspiel eines Zirkus in dem verschlafenen süddeutschen Badeort die Sehnsucht nach einer Parallelwelt aus Ferne und Freiheit und virtuosen Fallrückziehern geweckt hat, und jedes Kunststück Glückseligkeit verhieß. Also hat sie zwischen 2014 und 2019 Zirkusse fotografiert im Iran, in Afghanistan, Palästina, Indonesien, Indien, dem Senegal und dem Nordkaukasus. Was auf den Bildern ist? Hamas Kämpfer fahren in einem Toyota Pick-up an einem Jongleur auf Stelzen vorbei, der gerade zufällig aus seiner Garagen-Zirkusschule kommt. Oder: Zwei dünne, traditionell gekleidete Mädchen stehen mit strenger Anmut in Jenine vor der Kamera und gehören zu einem Ensemble angehender palästinensischer Akrobatinnen, die von Männern zwar trainiert, aber bei den Korrekturen nicht berührt werden dürfen. Zirkus buchstabiert das Risiko kinderleicht, und auch die Traurigkeit, das Tabu und den Tod. Frauen im Iran dürfen vor Publikum nicht auftreten, aber jonglieren trotzdem. Zirkus ist der sanfte Zwilling der Revolution. Ein Junge aus Gaza sagt, er fühle sich “like a bird”, wenn er in der Manege die Schwerkraft des Körpers und den Kummer hinter sich läßt. Da wo wir, die wir diese ferne Welt nur aus den Nachrichten kennen, allein Wüste und Krieg vermuten, sind Zirkusschulen und Zirkus an sich Orte der Hoffnung. Denn wo Leid ist, ist Hoffnung, sagt ein arabisches Sprichwort.