A.L. Kennedy
Der letzte Schrei
Erzählungen, aus dem Englischen von Ingo Herzke, Hanser Verlag 2015
Sie hat Schärfe und Charme und stellt erzählend eine Intimität her, die nie peinlich, aber manchmal anstrengend ist. Was sie schreibt, glaube ich sofort. Ihren Figuren nehme ich jedes Gefühl, jede Absurdität ab. Denn sie stellen nichts dar, sondern sie s i n d. Selten reden sie dialogisch, sondern meistens in den eigenen Kopf hinein und sind dabei so ungebremst aufrichtig wie ihre Verfasserin A.L. Kennedy – nehme ich an.
Alison Louise Kennedy, Jahrgang 65, ist in Schottland geboren. Sie tritt bisweilen in Stand up Comedies auf und ist eine scharfe Kritikerin der britischen Regierung hinsichtlich des Irak-Kriegs. Worum es in den dreizehn Geschichten im neuen Erzählungsband geht? Da ist ein Mann, der vögelt seine Putzfrau immer mittwochs, weil Mittwoch ist. Da ist ein Junge am Meer, der sich von seiner jungen, zärtlichen Hündin trennen muss, weil Vater und Mutter sich geschieden haben. Da ist die Soldatin an einem traurigen Nachmittag in Blackpool, ausgeliefert irgendwelchen billigen Kirmesvergnügungen, einem trostlosen Wetter und dem Freund, den sie nicht mehr liebt, während sie ständig an ihren smarten Anwalt denken muss, der sie hasst. In Zypern, im Irakkrieg, hat sie Spiele gespielt, mit Männern, die nackt waren – bis auf die Kapuzen. A.L Kennedy zieht mit rüder Zärtlichkeit hinein in die Mitte einer Situation, in die Mitte einer Person. Die nötigen Informationen über Figuren, die andere Autoren umständlich in ihren Text hineinbasteln, liefert bei ihr der Moment, aus dem heraus sie sprechen.