Carolin Würfel
Drei Frauen träumten vom Sozialismus
Hanser Verlag Berlin 2022

Carolin Würfel, geboren 1986 hat in DREI FRAUEN TRÄUMTEN VOM SOZIALISMUS Wolf, Reimann und Wander und deren gemeinsame fünfziger und sechziger Jahre in der DDR atmosphärisch porträtiert und ihnen tief, tief in ihre persönlichen Geschichten geschaut, die auch immer politische sind. Die drei Schriftstellerinnen sind sehr unterschiedlich. Schnittstellen und auch Freundschaften ergeben sich aus der Begeisterung für das Versprechen auf Selbstverwirklichung im Sozialismus. Ein neuer Mensch soll allein durch menschliche Anstrengung entstehen. Versprochen!, sagten nicht nur Ulbricht und Honnecker. Carolin Würfel jedoch ersetzt den einfachen Glauben an dieses Versprechen durch etwas Flirrendes, Ungreifbares, Leidenschaftlicheres, dem die drei Frauen sich ausliefern. Sie spricht vom Traum, den die drei träumten, egal, ob sie die Kindheit in einem nationalsozialistischen Elternhaus oder einer kommunistischen Arbeiterfamilie verbracht hatten. Ausgangsmaterial war für Carolin Würfel weniger die Literatur der drei Schriftstellerinnen als deren Tagebücher und Briefe – ein gutes, aber auch ein sensibles Material, wenn man von „träumenden Frauen“ erzählen will. Nah geht sie bisweilen bei ihrer Herzensrecherche an die drei Schriftstellerinnen heran, sehr nah. Fast hat man das Gefühl, sie hat – über die Zeit hinweg – mit ihnen am Tisch gesessen, auf ihren ungemachten Betten gehockt, geraucht, getrunken, Frauengespräche geführt. Wir sind dabei, wenn Fred Wander den Lockenkopf seiner Frau Maxie auf dem Kissen neben sich streichelt. Ist das aus dem Tagebuch, oder ein Hinübergleiten in die Fiktion? Kann die Begeisterung für das eigene Schreiben, die auch hilft, eine unüberschaubare Fülle an fremdem Lebensmaterial für sich zu bändigen, zu genau dieser zärtlichen Übergriffigkeit führen? Und ist das der einzige Weg, mit einem Stoff, der für viele Fußnoten gemacht wäre, einen freien Tanz zu wagen? Leserinnenfreundlich ist das Buch auf jeden Fall, und schön endet es mit einer Christa Wolf im Türrahmen – als einer Frau, die ihre Fehler kennt und sich sagt, dass träumen nur noch im Traum gehen mag. Und vielleicht im Schreiben.