Stewart O'Nan
Das Glück der anderen
Deutsch von Thomas Gunkel, Rowohlt Verlag 2001
Empfohlen hat mir das Buch eine Frau, die eigentlich Filme macht. Das Besondere sei nicht nur die Geschichte, sondern auch die Perspektive, sagte sie. Wie jeder Erzähler bin ich an der Perspektive interessiert, vor allem, wenn sie so ungewöhnlich ist wie bei O´Nan.
„Das Glück der anderen“ spielt nach dem amerikanischen Bürgerkrieg. Jacob Hansen, Sheriff, Prediger und Leichenbestatter lebt mit Frau und kleiner Tochter in Friendship/Wisconsin. Friendship ist eine sterbende Bergarbeiterstadt, über die mit apokalyptische Wucht eine Seuche hereinbricht. Diphtherie? Oder Schlimmeres? Als zwanzig Menschen gestorben sind – auch Frau und Tochter von Hansen, was er jedoch verheimlicht, weil er mit den Toten weiterlebt, als sei nichts geschehen – verhängen Arzt und Sheriff Quarantäne über die Stadt. Zu spät. Alles ist noch viel unheimlicher und existentieller als ich hier andeuten kann.
Und die Perspektive?
O´Nan wählt die 2. Person Singular. Er erzählt sich selber, was geschieht, während es geschieht. Er sagt DU und meint damit sich selbst und vielleicht auch Gott. Als Leser ist man in eine beklemmende Intimität mit hinein gezogen und fühlt sich bei so manchem DU auch angesprochen. Man wird auf eine seltsame Art neugierig auf Gott, auch wenn Hansen immer mehr mit diesem hadert.
Stewart O´Nan wurde 1961 in Pittsburgh geboren, arbeitete als Flugzeugingenieur und studierte Literatur. Für seinen Debütroman „Engel im Schnee“ bekam er 1993 den Faulkner Preis.